Ideen- und Methodensammlung:

Interkulturelles Lernen und interkulturelle Öffnung in der Jugendarbeit

1. Ich oder ich nicht?

Im Raum werden zwei Schilder aufgehängt, eines mit „ICH“, eines mit „ICH NICHT“

beschriftet. Die Gruppenleitung stellt nun verschiedene Fragen, die Teilnehmenden

positionieren sich entsprechend bei den jeweiligen Schildern. Wer sich nicht entscheiden

kann, darf sich auch einen Platz dazwischen aussuchen.

Fragen

Wer ist Frühaufsteher?

Wer kann mehr als zwei Sprachen sprechen?

Wer gehört einer Religionsgemeinschaft an?

Wer hat mehr als zwei Geschwister?

Wer treibt regelmäßig Sport?

Wer spielt ein Instrument?

Wer ist in Deutschland geboren?

Wer lebt immer noch an dem Ort, wo er / sie auch geboren wurde?

Wessen Vater oder Mutter stammt aus einem anderen Land?

Wessen Großeltern stammen aus einem anderen Land?

Wer ist Vegetarier / in?

Wer trinkt keinen Kaffee?

Wer ist Linkshänder / in?


Ziele der Übung

Diese Übung eignet sich gut zur Diskussion um das Thema Verschiedenheit.

Es geht darum, wahrzunehmen,

wie verschieden und vielfältig die Gruppe ist;

dass jeder gleichzeitig vielen verschiedenen Gruppen angehört;

dass jeder manchmal der Mehrheit, manchmal der Minderheit angehört;

das verschiedene Gruppen in der Gesellschaft unterschiedlich bewertet werden.


Auswertung

Zur Auswertung können folgende Fragen hilfreich sein:

Wie ist es den Teilnehmenden bei der Zuordnung gegangen? War die Zuordnung immer einfach?

In welcher Gruppe haben sich die Teilnehmenden am häufigsten wiedergefunden?

War dies eher die Mehrheit oder die Minderheit? Bei welchen Fragen hat dies überrascht?

Mit wem hatten die Teilnehmenden viele Übereinstimmungen, mit wem nicht?

Wie ist es den Teilnehmenden ergangen, die sich nicht eindeutig positionieren konnten oder wollten? War dies einfach?



3. Die Geschichte meines Namens

Namen sind wesentlicher Teil unserer Identität und Individualität. Menschen mit ihrem Namen anzureden, bedeutet ihnen gegenüber Wertschätzung auszudrücken. Über Namen können wir aber auch mehr über persönliche Geschichten erfahren, bspw. familiäre oder kulturelle Wertehintergründe.


Ablauf

Alle Teilnehmenden stellen sich reihum mit ihrem Namen vor (Vorname, Nachname

oder Spitzname) und erzählen etwas dazu:

Ob sie ihn mögen oder nicht,

was er eventuell bedeutet,

warum die Eltern (oder jemand anders) ihn ausgesucht haben,

ob sie eigentlich anders hätten heißen sollen,

welche Erfahrungen sie mit ihrem Namen im Alltag oder in besonderen Situationen ge­macht haben (Anekdoten),

wie sie genannt werden möchten.


Zum Abschluss können alle Teilnehmenden den Namen, mit dem sie angeredet werden

wollen, auf ein Namensschild schreiben.


Erläuterung

Die Wichtigkeit von Namen hat mit dem Charakter von Eigennamen zu tun. Es ist der

Name, der ein Individuum identifiziert und von allen anderen unterscheidet. Wenn ich

mit meinem Namen gerufen werde, weiß ich: Nur ich bin gemeint. Daher ist die richtige

Benennung – also auch Aussprache eines Namens – wichtig.

Mit der Anrede werden auch soziale Rollen und Beziehungsaspekte vermittelt. Wer sich

schon mal mit „Du“ und „Sie“ vertan hat, wird gemerkt haben, dass eine falsche Inter­pretation der Beziehung ziemlich peinlich und als Missachtung gewertet werden kann. In allen Kulturen sind Namen von großer Bedeutung. Ihre Verwendung, Auslassung oder Ver­änderung kann Respekt und Anerkennung, Spott oder Zurechtweisung vermit­teln. Viele Vornamen haben eine jahrhundertelange Geschichte. Deutsche Vornamen sind oft grie­chischer, lateinischer, germanischer oder hebräischer Herkunft. Aber auch in an­deren Kulturen, bspw. der islamischen Welt spiegeln Namen Jahrtausende von Kultur-, Religi­ons- und Familientraditionen wider. Das Gefühl für die Einmaligkeit eines Lebewe­sens übertragen wir oft auch auf andere Dinge. Dann, wenn sie uns wichtig sind, bekom­men sie Namen, Haustiere sowieso, aber auch Schiffe, Autos …


7. Was ist typisch deutsch?

Deutsche lieben Eisbein und Sauerkraut, sind zuverlässig, fleißig und humorlos. Stimmt das? Was haltet Ihr für „typisch deutsch“?


Ablauf

Teilt Euch in Gruppen mit 4 – 6 Personen auf. Jede Gruppe erhält einen Kulturbeutel,

viele Kärtchen und Stifte.

Nun schreibt jeder „typisch deutsche“ Eigenschaften auf.

Jede Gruppe wählt nun aus ihren gesammelten Begriffen acht aus, die am zutreffends­ten sind. Diese werden im Kulturbeutel gesammelt.

Anschließend stellen alle Gruppen ihre Kulturbeutel vor und erläutern, warum

sie diese Begriffe ausgewählt haben.

Alle Begriffe werden an einer Pinnwand gesammelt und verglichen. Sich wiederholende

Begriffe werden nach oben gehängt.


Material: mehrere Kulturbeutel, viele Blanko-Kärtchen, Stifte


Auswertung

Für die Diskussion eignen sich folgende Fragen:

Welche Begriffe wurden am häufigsten genannt? Haltet Ihr diese für zutreffend?

Identifiziert Ihr Euch mit diesen Begriffen?

Welche Gefühle lösen diese Zuschreibungen bei Euch aus?

Was glaubt Ihr, sagen andere über die „deutsche Kultur“?

Was können die Begriffe Kultur und Stereotype miteinander zu tun haben?

Wie tickst DU?


Zum Hintergrund:

Was sind Kulturstandards? Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die für Mitglieder einer bestimmten kultu­rellen Gruppe als typisch und normal angesehen werden. Zu den „deutschen Kulturstan­dards“ zählen bspw. folgende Merkmale: Deutsche sind… sehr regelorientiert, pünktlich, in Beziehungen eher distanziert, orientieren sich gern an Autoritären und sind in ihrer Kommunikation direkt und sachbezogen.

In jeder Gesellschaft lassen sich Kulturstandards erkennen, die aber nicht unbedingt im

Gegensatz zu denen anderer Gesellschaften stehen müssen. Solche Standards verallge­meinern und lassen Unterschiede bewusst erkennbar werden. Andere kulturell prägende Faktoren wie Generation, Geschlecht, religiöse oder ethnische Zugehörigkeit,

soziale Verhältnisse bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Kulturstandards sind

also Stereotype und zeigen lediglich eine Gewichtung an.

Für einzelne Individuen treffen die typischen Kulturstandards womöglich auch gar nicht zu (alle Deutschen sind pünktlich und trennen penibel ihren Müll, oder nicht?).



8. Meine individuelle „Wohlfühlzone“

Franzosen begrüßen sich mit Wangenküsschen, Deutsche schütteln jedem erst mal die Hand, in China verbeugt man sich in einiger Distanz leicht voreinander. Das was wir als normalen Abstand zwischen Menschen empfinden, hängt auch davon ab, in welcher Kul­tur und in welchem Umfeld wir aufgewachsen sind. Was ist Deine individuelle „Wohlfühl­zone“?


Ablauf

Jeweils zwei Teilnehmende stellen sich paarweise gegenüber. Jedes Paar bekommt

zwei Zentimetermaße oder Wollfäden.

Person 1 legt sich das Zentimetermaß vor die Füße, beginnend bei 0 in Richtung

auf die gegenüberstehende Person 2.

Nun kommt Person 2 langsam näher, bis Person 1 stopp sagt. Das Zentimetermaß wird an dieser Stelle abgerissen.

Wechsel und das Gleiche nochmal. Die abgerissenen Zentimetermaße bzw. gemessenen Abstände aller Paare werden nebeneinander gehängt. Was fällt Euch auf?


Material:

Zentimetermaß zum Abreißen oder Wollfäden.


Zum Hintergrund

Das Verhältnis von Nähe und Distanz zu anderen Menschen ist einer von mehreren

Kulturstandards. Allgemein legen Deutsche sehr viel Wert auf ihre Privatsphäre, was sich auch im räumlichen Verhalten ausdrückt. Deutsche Gärten werden durch Zäune vonein­ander getrennt, am Strand werden Sandburgen gebaut, um das eigene Territorium abzu­grenzen. Der „deutsche“ soziale Abstand bei Kontakten beträgt eine Armlänge.

Vermutlich werdet Ihr bei der Übung festgestellt haben, dass die Länge der Zentimeter­maße sehr stark voneinander abweicht – obwohl viele von Euch im gleichen Kulturkreis aufgewachsen sind.


Woran könnte das liegen?

Bei welcher Distanz habt Ihr Euch wohlgefühlt, ab wann bedrängt?

Bei welchem Abstand habt Ihr Eure/n Partner/in als distanziert oder vielleicht auch desinteressiert wahrgenommen?


Kulturelle Prägung ist eben nur ein Merkmal von vielen, die unsere individuelle Wohlfühl­zone bestimmen ... weitere Faktoren könnten auch familiäre Gewohnheiten, Ge­schlecht, Alter, Grad der Bekanntschaft, Beruf, Hierarchie, Sympathie, … sein.


10. Die kulturelle Brille

Die „kulturelle Brille“ ist ein Erklärungsmodell, mit dem der Unterschied zwischen

Beobachtung und Bewertung verdeutlicht werden kann. Jeder von uns trägt eine (un-sichtbare) Brille, durch die wir unsere Mitmenschen und unsere Umgebung wahrneh­men.

Je nach Erfahrung, Herkunft und Umfeld deuten wir Gesten, Sprache, Symbole, Ver-hal­tensweisen sehr unterschiedlich. Diese Brille können wir nicht absetzen, aber wir

können uns von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wir sie alle auf der Nase haben, sie aber bei jedem anders ist. Was siehst Du?


Anleitung

Schneidet aus Zeitschriften Fotos von Menschen, Gegenständen und Symbolen aus.

Was verbindet Ihr mit diesen Bildern? Warum? Beispiele könnten sein:

Mensch im Rollstuhl, Kirche, Jugendlicher mit Baggy-Jeans, Bodybuilder, Nationalflag­gen, Frau mit Kopftuch, Mercedes S-Klasse, Moschee, Mönch im Gebet, Frau mit Zigaret­te im Cafe, tobende Kinder, zwei Jungen umarmen sich…



Zum Hintergrund:

Wie funktionieren Kulturen?

Das Eisbergmodell von Edward T. Hall veranschaulicht, wie sich Kultur nach außen zeigt und welche Anteile verdeckt wirken. Wie beim Eisberg ist nur ein kleiner Teil einer jeden Kultur für uns wahrnehmbar, das Wichtigste ist unsichtbar (beim Eisberg liegen bekannt­lich 90 % unter der Wasseroberfläche). Zu den sichtbaren Symbolen einer Kultur

zählen z.B. Kunst, Theater, Musik, Küche, Kleidung, Sprache etc. Das verborgene

Fundament - Werte, Normen, Grundannahmen - ist für Fremde dagegen nur begrenzt

wahrnehmbar.

Allein vom Sichtbaren können wir also nicht auf die Bedeutung von Symbolen oder Ver­haltensweisen schließen. Während in einer bestimmten jugendlichen Kultur Baggy-Jeans als cool gelten, mag Eure Oma diese Klamotten vielleicht eher als „lotterig“ werten. Erst, wenn wir die Hintergründe und Kontexte kennen, werden Verhaltensweisen erklär- und verstehbar. Dazu ist es nötig, dass wir uns dieser Mechanismen bewusst sind.

Indem wir uns unsere eigenen Werte und Grundannahmen bewusst machen und verste­hen, wie und warum sie unser Verhalten prägen, können wir auch Fremdes besser

einordnen. Das Eisbergmodell weist darauf hin, wie wichtig es ist, in interkulturellen

Begegnungen sensibel zu bleiben – dem Eigenen und dem Fremden gegenüber.



12. Wertehierarchien

Habt Ihr darüber nachgedacht, welche Werte Euch wichtig sind und warum dies so ist?


Ablauf

Bildet Arbeitsgruppen mit 4 - 6 Personen. Jede Gruppe erhält eine Auflistung der

16 Werte.

1. Jede / r bildet seine eigene Wertehierarchie und notiert sie auf einem Blatt. Der

wichtigste Wert kommt zuerst. Jedem Wert ordnet Ihr Punkte zu (13 - 1)

2. Jetzt werden die Wertehierarchien der Gruppe ermittelt: Dazu zählt Ihr alle

Punkte zu einem jeweiligen Wert zusammen (bspw. Ehrlichkeit) und notiert sie

auf einem Arbeitsblatt.

3. Diskutiert nun, in welche Reihenfolge Eure Gruppe die Werte bringen will und notiert

sie auf einem Flipchartpapier.


Was ist dir wichtig?

Bescheidenheit

Disziplin

Familienbindung

Gastfreundschaft

Hilfsbereitschaft

Kinderfreundlichkeit

Respekt vor anderen

Selbstständigkeit

Eigeninitiative

Ehrlichkeit

Selbstvertrauen

Gute Bildung

Leistungsbereitschaft

Religion

Gleichberechtigung von Mann und Frau

Schutz von Natur und Umwelt


Auswertung

Im Plenum stellen alle Arbeitsgruppen ihre jeweiligen Wertehierarchien vor und verglei­chen sie.

Waren die Gesamtpunkte eine Entscheidungshilfe?

Wie habt Ihr bei Punktegleichstand entschieden?

Fehlen bestimmte Werte?

Gab es viele Unterschiede in den verschiedenen Gruppen? Bei welchen Werten?

Gibt es Unterschiede zwischen den Gruppenergebnissen? Wie erklärt Ihr Euch diese?

Könntet Ihr eine Wertetabelle für Eure gesamte Gruppe erstellen, die von allen

akzeptiert wird?

Stellt Euch vor, Ihr wandert mit Eurer Familie in ein anderes Land aus. Welche Werte wären Euch wichtig, um Euch dort einzuleben und wohl zu fühlen?

Spannend wird diese Methode, wenn Ihr sie bspw. nach Geschlechtern getrennt

oder mit einer Jugendgruppe eines anderen Verbandes durchführt. Unterscheiden

sich die Verbandswerte von Euren?

Oder Ihr fragt Eure Eltern oder Großeltern zu Hause, wie sie entscheiden würden.

Gibt es „Familienwerte“?


13. Richtig oder falsch?

Könnt Ihr Menschen richtig einschätzen?


Ablauf

Alle Teilnehmenden erhalten ein Blatt Papier, auf dem sie zwei Eigenschaften notieren:

eine, die sehr gut auf sie zutrifft und eine, die nicht auf sie zutrifft. Diese sollen so ge­wählt werden, dass es für die anderen Teilnehmenden schwer ist herauszufinden, welche richtig und welche falsch ist. Nachdem sich alle Teilnehmenden ihre Blätter auf den Rücken geklebt haben, gehen sie locker im Raum umher. Bei jeder Person liest man die Eigenschaften und macht auf dem Blatt ein Kreuz bei der Eigenschaft von der man glaubt, sie sei richtig. Zum Ende kommen alle im Kreis zusammen und berichten der Rei­he nach, wie sie eingeschätzt wurden und was der Wahrheit entspricht.


Auswertung

Wie einfach oder schwierig ist es, eine andere Person einzuschätzen?

Wurdet Ihr von den anderen eher richtig oder eher falsch eingeschätzt?

Wie empfindet Ihr es, wenn Ihr richtig oder falsch eingeschätzt werdet?

Welche Kriterien bestimmten unseren ersten Eindruck?

Brauchen wir solche Kriterien oder Vorannahmen? Wozu sind sie gut?

Seid Ihr oft bereit, Euren ersten Eindruck nachträglich zu verändern?


Erläuterung

Stereotype sind wie ein grobes Kategorien- oder Schubladensystem, mit dem wir

Personengruppen einsortieren. Besonders abgegrenzte und offensichtliche Eigenschaften

werden hervorgehoben und verallgemeinert. Einerseits erleichtern Stereotype uns den alltäglichen Umgang mit unbekannten Personen, da sie uns Hinweise für zu erwar­tende Verhaltensweisen liefern. Andererseits erweisen sich diese Verallgemeinerungen oft als falsch, sie werden den individuellen Eigenschaften eines Menschen nicht gerecht. Sobald Gruppenmerkmale wie das Geschlecht oder die Hautfarbe mit (negativen) Bewer­tungen besetzt sind, spricht man von Vorurteilen. Oftmals dienen Vorurteile dazu, beste­hende Ungleichheiten zu rationalisieren und zu rechtfertigen. Mehr zu Stereotypen und Vorur­teilen unter www.bitte-oeffnen.de




14. Doppelsteckbrief

Ein DIN-A4-Papier wird geknickt, auf beiden Seiten werden die gleichen Fragen / Stich­worte notiert:


Ablauf

1. In Zweiergruppen füllen alle einen Doppelsteckbrief aus.

2. Zunächst schreibt jede/r auf, was sie über die Partnerin/den Partner denkt, dann

wird das Blatt geknickt und die Blätter getauscht.

3. Jetzt tragen beide auf der leeren Seite ihre Angaben über sich selbst ein.

4. Dann werden die Blätter auseinander gefaltet und die Einschätzungen gemeinsam ver­glichen.


Auswertung

In der Gesamtgruppe können einige Doppelsteckbriefe vorgestellt werden. Für die Dis­kussion eignen sich auch die Auswertungsfragen von „Richtig oder falsch?“


Ich: ... Mein / e Partner / in: ...

Meine Lieblingsmusik? Ihre/seine Lieblingsmusik?

Meine Tätigkeit/Beruf? Ihre/seine Tätigkeit/Beruf?

Meine Lieblingssportart? Ihre/seine Lieblingssportart?

Was wäre für mich ein richtiger Traumurlaub?

Was wäre für sie/ihn ein richtiger Traumurlaub?

Meine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit?

Ihre/seine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit?

Tee oder Kaffee? Tee oder Kaffee?

Kuchen oder Wurstbrot? Kuchen oder Wurstbrot?


Zum Hintergrund:

Der „Halo-Effekt“ Unser „Rumdum-Check“ einer Person dauert im Normalfall zwischen 1 und 90 Sekunden. Dann stehen unsere Urteile, genauer gesagt unsere „Vor-Urteile“, denn wissen tun wir eigentlich noch nicht viel. Zu über 90 % orientieren wir uns dabei an nonverbalen Signalen wie Körpersprache, Kleidung, Gestik und Mimik. Der so genannte „Halo-Effekt“ („Überstrahlung“, E.L. Thorndike) verstärkt diesen ersten Eindruck noch. Er besagt, dass wir uns immer an der hervorstechendsten positiven (negativen) Einzelei­genschaft orientieren. Wir beurteilen die jeweilige Person dann nicht mehr „objektiv“, sondern nur anhand eines einzelnen Merkmals.

Der Effekt wirkt in zwei Richtungen: Überstrahlt der positive erste Eindruck alles ande­re, spricht man vom Heiligenschein- Effekt. So kann jemand, der uns besonders

sympathisch ist (oder auf mich vertrauter wirkt), generell positiver eingeschätzt

werden als jemand anderes mit ansonsten gleichen Merkmalen und Verhaltensweisen.

Überstrahlt ein negativer erster Eindruck die gesamte Einschätzung des Menschen,

spricht man vom Teufelshörner-Effekt.




16. Ist das Diskriminierung?

Die Gruppe teilt sich in Kleingruppen zu 3 – 4 Teilnehmenden auf und diskutiert

zu folgenden Aussagen oder Situationen: Handelt es sich um Diskriminierung oder

nicht? Wenn ja, warum?


1. Zeitungsartikel: „Ein vorbestrafter Jugendlicher, dessen Eltern aus der Türkei stam­men, wurde gestern wegen Diebstahls verhaftet.“

2. Jemand sagt: „Wer arbeitslos ist, strengt sich nur nicht genügend an.“

3. Eine Wohnungsbaugesellschaft schreibt in ihrem Ausschreibungstext, dass die Wohnun­gen nur an deutschsprachige Mieter vergeben werden.

4. Eine Verkäuferin spricht mit einer Frau, die „südländisch aussieht“, ganz einfaches

Deutsch als sei sie ein Kind.

5. Ein Schüler erzählt einen Türkenwitz.

6. Ein Lehrer gibt einem Schüler, der seit vier Jahren in Deutschland lebt, eine „Haupt­schulempfehlung“, da dieser die deutsche Sprache noch nicht fließend beherrscht.

7. In einem Eignungstest für Grundschüler werden Kinder mit Migrationshintergrund

nach dem Volksmärchen „Hänsel und Gretel“ befragt.

8. Jemand sagt: Die Schwarzen haben das Tanzen im Blut.

9. Ein Rollstuhlfahrer wartet auf den Bus und alle Leute drehen sich weg, um ihm nicht

beim Einsteigen helfen zu müssen.

10. In einem Modegeschäft werden nur Kleider in den Größen vierunddreißig bis vierund­vierzig verkauft.

11. Die Beleidigung: „Mann, bist du schwul!“

12. Im Bus unterhalten sich zwei ältere Damen laut über die „verdorbene Jugend von heute“.

13. Ein junger Mann, der seit sechs Jahren in Deutschland studiert, wird nach Erhalt des Diploms abgeschoben.

14. Die Sicherheitsbeamten der Bahn werden von ihrer Dienstaufsicht aufgefordert,

Obdachlose und Punks von dem Bahnhofsgelände fernzuhalten.


Auswertung

Die Diskussionsergebnisse werden im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Anschließend kann gemeinsam ein Plakat oder eine Collage erstellt werden mit der

Überschrift „Diskriminierung ist...“


Was ist Diskriminierung?

Wie äußert sich Diskriminierung?

Wer ist von Diskriminierung betroffen?

Was sind die Folgen von Diskriminierung?

Wie kann Diskriminierung entgegengewirkt werden?



17. Heimliche Botschaften

Diskriminierungen haben viele Formen und Facetten: Dabei sind sie nicht immer

offensichtlich. In unserem sprachlichen Alltag sind rassistische und diskriminierende

Äußerungen oft so geläufig, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Manchmal nutzen wir

selbst ganz unbedacht Ausdrücke, die andere Gruppen abwerten. Vielen Menschen ist dies auch gar nicht bewusst oder sie meinen, „man solle nicht so empfindlich sein“.


Ablauf

Setzt Euch in Kleingruppen zusammen und diskutiert, welche heimliche Botschaft

bei den folgenden Ausdrücken mitschwingt. Vielleicht fallen Euch auch neutrale Rede­wendungen ein? Fallen euch noch mehr Ausdrücke aus eurer Umgebung ein?


WAS sprichst du?

Unser bester Mann Softie

Frauenarbeit

Ich bin doch nicht dein Neger!

Eingeborene

Herumzigeunern

Mischlingskinder

Heiden

Mauscheln

Schwarzer Kontinent

Alte Oma

Primitive Kunst

Das ist doch getürkt!

Dunkeldeutschland

Du bist wohl schwul!

Das kommt mir spanisch vor!


Zur Auflösung einige Beispiele

Unser bester Mann (Frauen kommen hier wohl nicht in Betracht)

Frauenarbeit (minderwertige Arbeit, eines Mannes nicht würdig)

Eingeborene (Minderwertigkeitder Ursprungsbevölkerung)

Mischlingskinder (Begriff stammt aus dem Tierbereich = nicht reinrassig; Stichworte:

Rassentheorie des Dritten Reiches, deutscher Kolonialismus, Nachkriegsdeutschland)

Ich bin doch nicht dein Neger! (Der Begriff „Neger“ entstand mit Kolonialismus und

Sklavenhandel und diffamiert Menschen mit schwarzer Hautfarbe Weißen gegenüber

als minderwertig.)

Herumzigeunern (Zigeuner = diskriminierende Bezeichnung für Roma. Spezielle

Bedeutung im Deutschen, da er auch mit „ziehende Gauner“ gleichgesetzt wurde)

Schwarzer Kontinent (Assoziation von gefährlich, düster)

Das ist doch getürkt! (Jemanden hinters Licht führen, täuschen)

Mauscheln (jiddisch für „in der Sprache des Mose sprechen“, im deutschen

Sprachgebrauch steht es für unehrliches Verhalten und transportiert damit antisemiti­sche Vorurteile)



18. Diversity-Stadtrundgang

Habt Ihr schon mal versucht, die eigene Stadt mit anderen Augen zu sehen? Wie lebt

es sich als … Rollstuhlfahrer / in, Flüchtling, Mutter / Vater mit Kinderwagen, Gehörlo­ser, Person, die nicht lesen kann, ...?


Ablauf

Bildet Zweierteams, eine / r von beiden sucht sich eine Rolle aus. Versetzt Euch in diese

Rolle hinein und begebt Euch dann durch die Stadt. Nach der Hälfte der Zeit kann die

erste Person die Rolle „ausschütteln“ und an die zweite Person übergeben. Versucht nachzuempfinden, welche Barrieren es gibt:


Kannst Du problemlos Busfahren?

Kannst Du den Fahrplan lesen?

Hast Du Geld, um Straßenbahn zu fahren? Wenn ja, kommst Du ohne Probleme an den Münzeinwurf?

Gibt es Beratungsstellen für Deine Situation?

Kannst Du dich auf Bahnhöfen ohne Probleme bewegen?

Was bedeuten Treppen für Dich?


Auswertung

Wenn alle Teams wieder eingetroffen sind, kann eine Gesamtauswertung starten:


Was ist Euch aufgefallen, welche Barrieren sind Euch begegnet?

Sind Euch Dinge aufgefallen, wo versucht wurde, Barrieren abzubauen?

Welche anderen Gruppen fallen Euch ein, deren Bedürfnisse ebenfalls oft nicht berück­sichtigt werden?


Interkulturelle Öffnung ist nur eine Dimension von Vielfalt. Eigentlich geht es aber

grundsätzlich darum, alle Menschen in ihrer Verschiedenheit zu akzeptieren und ihnen

die gleichen Teilhaberechte zu gewähren.



19. Interkulturelle Stadtrallye

Wie vielfältig ist eigentlich Eure Stadt und welche Einflüsse haben das heutige Stadtbild

geprägt? Bildet kleine Aktionsgruppen und erforscht die Stadt. Die schnellste Gruppe

gewinnt!


Sucht einen Laden, in dem man russische (oder italienische, griechische,

schwedische …) Lebensmittel kaufen kann und fragt die Besitzerin / den Besitzer

nach einem typischen Nationalgericht.

Findet 3 Straßennamen, die auf bedeutende Persönlichkeiten hinweisen. Wer steckt dahinter?

Findet heraus, welches die Partnerstädte Eurer Stadt sind.

Fragt Passanten, wo man gut Eis essen kann.

Sucht das Denkmal in der X-Straße. Woran oder an wen erinnert es?

Erfragt, ob es eine Synagoge oder eine Moschee gibt und wie viele

Mitglieder die Gemeinden haben.


Vorbereitung: Vorab müssen bedeutende Orte (Denkmale, etc.) ausgekundschaftet

werden.


Material: Stadtplan, Fotoapparate


Kleine Migrationsgeschichte Deutschlands

Migration hat in Deutschland eine lange Tradition. Im 19. Jh. wanderten Mio. Deutsche wegen Armut oder aus religiösen Gründen nach Amerika oder Russland aus. Als Ende des 19. Jh. die Industrialisierung einsetzte, wurden über 1,2 Mio. „ausländische Wanderar­beiter“ (meist Polen) angeworben, um im Bergbau zu arbeiten.

Während und nach dem 2. Weltkrieg kam es zu den größten Migrationsbewegungen der

modernen Geschichte durch Vertreibungen, Zwangsmigrationen und der NS- Siedlungs­politik für „Volksdeutsche“. Wegen des Arbeitskräftemangels zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders wurden zwischen 1955 und 1973 14 Mio. „Gastarbeiter“ aus ver­schiedenen Mittelmeerländern angeworben. Obwohl ca. 11 Mio. in ihre Heimat­länder zu­rückkehrten, bilden diese ehem. Gastarbeiter mit ihren Familien heute die größte Grup­pe der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund.

Die zweitgrößte Gruppe sind mit über 4,5 Mio. deutschstämmige (Spät-) Aussiedler/in­nen, die seit 1950 in die BRD einwanderten.

Seit 2008 verlassen mehr Menschen Deutschland als zuwandern, vor allem gut

Qualifizierte. Auswanderungsmotive sind Selbstverwirklichung und Abenteuerlust,

aber auch Diskriminierung aufgrund eines Migrationshintergrundes.